Samstag, 24. September 2011

"Mußestunden"

Stickprojekt "Sticken nach Zahl" von Lisa Urban und Anja Matzke-Schubert

Ausstellung im Kunsthaus Kannen bei Münster in der Gruppenausstellung "Gestrickt, Geklebt, Geknotet."  Art Brut und Textil vom 5.6. bis zum 25.9.2011

www.kunsthaus-kannen.de


"Anja gibt mir ein Stück gefaltete Leinwand. Es sind nur Zahlen darauf. Ich beginne, sie mit dem schwarzen Stickgarn zu verbinden. Halbblind komme ich mir dabei vor. Ein Schuh entsteht. Ich gucke beim Sticken gar nicht so genau, was für eine Zeichnung entsteht. Irgendwann ist der letzte Stich fertig, und da sind zwei Personen, ein Handkuss.
Ich zeichne Zahlen auf Stoff. Taste mich vorwärts. Hier soll ein Gesicht entstehen. Das ist ein Auge, das ein Nasenflügel. Hab ich die Augenbraue schon? Ich bin gespannt. Hier soll eine Hand vor dem Gesicht entstehen.
Ich gebe Anja den Stoff . Zwei Tage später ruft sie mich an und sagt, dass ihr das Bild mit dem Mann und dem Kind gefällt. Welches Kind? Tatsächlich, es sieht so aus, als sei da noch ein Baby auf dem Bild. Beim Zeichnen der Zahlen weiß ich nicht, wie das Endergebnis genau aussehen wird. Ich habe die ungefähre Zeichnung im Kopf, doch letztendlich hat die Zeichnung eine reizvolle Abstraktion, hier und da habe ich etwas "vergessen" , ohne das etwas fehlt.
Das Sticken ist eine langsame, meditative Tätigkeit. Die Überraschung über das, was entsteht, ist für beide Seiten schön- für den Zahlenzeichner und für den Sticker."

Lisa Urban


 "Lisa sagt, sie hat noch Nesselstoff auf ihrem Dachboden für unser Stickprojekt "Mußestunden", Sticken nach Zahl. Wir teilen die Stücke auf.
Die Idee zu diesem gemeinsamen Projekt kam uns, als wir die Mailartausstellung "Please, hold the line" in der Galerie abgehängt haben und an der Wand nur noch die Nummern der Postkarten mit Bleistift geschrieben standen. 
Als ich das erste Stück Nessel von ihr mi einem Wirrwar von Zahlen und Punkten bekomme bin  ich voller Neugier und Aufregung, was das wohl ist? Langsam Stickend verbinde ich, tastend und suchend die Punkte Zahl um Zahl. Die Überraschung über das, was entsteht ist groß.
Die Direktheit der so entstandenen Zeichnungen, die Vereinfachung einer Zeichnung durch das Arbeiten mit einer durchgängigen Linie, und das dadurch notwendige Weglassen von Überflüssigem, sowie der eckige Charakter der entstandenen Stickzeichnungen spricht mich an.
Selbst die Punkte und Zahlen für Lisa auf eine noch unberührte Leinwand zu setzen ist für mich ein Akt von höchster Konzentration, weil ich dabei die Zeichnung, den Verlauf der Linien und die Proportionen innerlich imaginieren muß. Wo ist der Anfang und wo das Ende?"

Anja Matzke-Schubert




Kunsthaus Kannen 2011

Kunsthaus Kannen 2011